Das Jahr 1924 (in Anlehnung an die Einträge der Dorfchronik)

1924 gab es den längsten und härtesten Winter seit langer Zeit. Von Weihnachten 1923 bis März 1924 gab es eine geschlossene  Schneedecke von bis zu 72 cm hoch. Es herrschten Temperaturen von bis zu -25 Grad. Die Schneeschmelze ging langsam und ohne Hochwasser vor sich. Mit der Feldwirtschaft konnte nicht vor Ende März begonnen werden. Viel Wild soll in den Waldungen zugrunde gegangen sein.

Politisch stand 1924 im Zeichen der Reichstagswahl. Sie endete mit einer Schwächung der gemäßigten bürgerlichen Kräfte sowie der  SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und einer Stärkung der republikfeindlichen Rechten und der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands). Der Chronist schreibt: "Wir befinden uns mitten in der Gegenrevolution. Der 8-Stunden Tag ist bereits allseits abgeschafft, natürlich nur unter schweren Kämpfen mit Arbeitsniederlegungen und großer Lebensnot."

Mit der Beseitigung der Geldarmut sollten sich langsam die Verhältnisse verbesssern. Bargeld über 100 Goldmark hinaus zu leihen war  so gut wie unmöglich und dies nur unter Zahlung von ganz ungeheuren Zinsen. Gerechnet wurde schon allgemein mit Billionen mit Geld- und Rentenmark. Eine Rentenmarkt hatte den Gegenwert von einer Billion Papiermark. Die alten Kupferpfennige waren wieder in ihren Wert eingesetzt und das Reich hatte bereits mit der Ausprägung von Silbergeld begonnen. Dies war der Anfang zur Beseitigung der alten wertlosen Papierscheine. In jedem Haus befanden sich noch viele Millionen oder Milliarden, die als Andenken aufbewahrt wurden oder in den Ofen wanderten.

Das war der größte Erfolg der Reichsregierung seit 1918. Ob sie aber mit den geplanten Maßnahmen Erfolg haben wird, blieb abzuwarten. In allen Verwaltungszweigen wollte man sparen, besonders bei der Eisenbahn und bei der Post, was zur Entlassung einer Menge von Beamten mit hohen Löhnen führte. Auswirkungen hatte das auf die Postagenturen und die Verkehrsbeschränkungen bei der Eisenbahn. So wurden die Haltestellen Bissenberg und Ulm auf der Ulmtalbahn eingestellt und täglich fuhr nur noch ein Zug von Stockhausen bis Holzhausen. Diese Maßnahme ließ sich aber nur solange aufrechterhalten, bis die Tonund Basaltindustrie ihren Betrieb wieder aufgenommen hat und die Strecke bis Beilstein freigegeben wurde, was zum 1. Juni 1924 erfolgte.

Infolge des Gesetzes zum Beamtenabbau legte auch Förster Anders sein Amt für Holzhausen zum 1. April 1924 nieder. Auch der seit 1891 im Amt befindliche Bürgermeister Schreiber trat zum gleichen Zeitpunkt in den Ruhestand. Anstelle Schreibers übernahm am 24. April 1924 der von den Franzosen aus Baumholder, Regierungsbezirk Trier, ausgewiesene Bürgermeister Rudolf Woytt die Amtsgeschäfte.

Ein Nachruf im Original aus der Dorfchronik zitiert: "Schreiber verzog nach Ehringshausen, konnte sich aber nicht lange seines Ruhestandes erfreuen. Er starb schon nach zwei Jahren. Mit ihm ist ein echter deutscher Mann von edlem Charakter, der sich wegen seines schlichten und aufrichtigen Wesens allgemeiner Beliebtheit erfreute, dahin gegange, ein Mann der mit Leib und Seele an seiner langjährigen Heimat, der schönen Ulm hing."

Anm. der Redaktion: An dieser Stelle möchten wir Bürgermeister Schreiber für seine jahrzehntelang akribisch geführte, beeindruckende Dorfchronik danken. Ohne diese Chronik wäre es uns heute unmöglich, diese spannende Zeit so lebendig und detailliert darzustellen.