Trompeters Loch

Gefunden und aufgeschrieben von Heinrich Jung, bearbeitet und veröffentlicht von Joachim Kohl

Die Sage von Trompeters Loch
von H. Kuhlbörsch-Eck,
erschienen im Wetzlarer Anzeiger vom 06.06.1931

Durch den Westerwald, drei Stunden schon
reitet Jost Wieth, der Postillion.
Gemächlich lässt er den Rappen schreiten,
und sichert sorgsam nach allen Seiten,
vermeidet achtsam die felsigen Pfade
Auf dass kein Hufschlag ihn verrate.
Denn anvertrauet seiner Hut
birget der Sattel kostbares Gut.
Und stundenlang mit schwerem, Tritt
zieht schon Frau Sorge lauernd mit.
Verdrossen, eintönig, dumpf ihr Murmeln schallt:
Gefahren! Gefahren! birget der Wald.

So seltsam klingt des Bergwinds Lied
Und durch die Tannenwipfel flieht
ein Rabenpaar mit trägem Schlag:
"Bei Gottes ist ein schwerer Tag!"
Der Reiter murmelt's und lüftet den Hut,
betastet verstohlen das kostbare Gut.
Des Rosses Hufe die Pfade sucht,
es trägt ihn schnaubend hinab zur Schlucht.
Nun muss es zur Feste Greifenstein
noch eine halbe Stunde sein.
Da gibt er, mit heimlich befreiten Blick dem Rosse die Sporen,
da bleibet zurück Frau Sorge mit grämlichen Augen:
"Wozu mag die Eile wohl taugen?"

Klangs nicht wie ein halberstickter Schrei?
Der Weg ist versperrt! Ich  muss vorbei!
Ein schwirrender Schlag!
das Ross bricht zusammen!
Vor des Reiters Augen lodernde Flammen,
und jählings tiefe, dunkle Nacht
doch als er nach kurzer Weile erwacht
da haben sie einen Kreis geschlossen
und einer, schielenden Auges
verdrossen spricht er, die anderen nicken
und mustern den Reiter mit finsteren Blicken:
Verwirkt ist dein Leben, vergebens dein Flehn,
die sinkende Sonne, du wirst sie nicht sehn.
Denn also lautet mein festes Gebot:
Bereite dich vor! Du gehst in den Tod.
Aufzuckt Jost Wieth in stummer Qual,
dann spricht er: "So lasset zum letzten Mal von jenem Baume,
in letzter Stunt, mein Horn erschallen die weite Rund!"
Sie nicken Gewährung, sie führen ihn vor,
behände steigt er am Baum empor,
und kraftvoll tönet durch Wald und Wind:

"Wenn wir in höchsten Nöten sind"

Der Wind trägt's denen von Greifenstein zu
die horchen und begreifen im nu.
Es stürmen die Knappen zum Walde hinan,
voll Eifer zu retten den Reitersmann.
Doch der schielende Räuber hat auch begriffen,
ein Bolzen ist durch die Äste gepfiffen
auf freier Wiese endet ein Schrei:
Krachendes Stürzen! Dann war's vorbei.
Im goldenen verdämmerten Abendschein
trug man den Toten nach Greifenstein.

Soweit das Gedicht und der Ausgang dieser verwerflichen Tat.

Holzhausen Kr. Wetzlar


Die Sage von Trompeters Loch (Erzählfassung mit alternativem Ausgang)

Vor vielen hundert Jahren, als noch die "Hohe Straße" die große Handelsstraße zwischen Frankfurt und Köln war, fuhr einmal auf ihr Jost Wieth mit seiner Postkutsche. Wertvolle Sendungen sollte er nach Köln bringen, und es waren unsichere Zeiten. Immer wieder wurden Kaufmannszüge überfallen, immer wieder wurden Postkutschen ausgeraubt.

Gewiss war Jost ein fröhlicher und furchtloser Geselle, aber an diesem Tage hatte er das unbestimmte Gefühl, dass besondere Gefahr drohe. Da lichtete sich der Wald, der ihn so viele Meilen umfangen hatte, und bald überquerte er den "Stock", die höchste Stelle der Straße zwischen Holzhausen und Katzenfurt. Gleich würde er an der altehrwürdigen Wallfahrtskapelle Elgershausen sein. Manchmal war er in Eile vorbeigefahren. Heute verrichtete er dafür ein umso längeres Gebet und bat Gott um Schutz und Beistand für den weiteren Weg. Neu gestärkt schwang sich Jost wieder auf den Kutschbock und mit flottem Hü und Hot setzte sich das Gefährt in Bewegung. Bis zur Raststelle nach Driedorf war noch eine gute Stunde und es dämmerte schon. Rechts mussten bald die Türme des Greifenstein auftauchen, dann würde er seinem Freund, dem Wächter, ein Liedchen blasen und er würde es erwidern.

Da schreckten die Pferde plötzlich hoch und brachen wiehernd zur Seite aus. Ehe Jost auch nur einen Gedanken fassen kann, wird er von schwarz vermummten Gestalten vom Bock gezerrt. Ein harter Schlag raubte ihm fast die Besinnung. Zu geschickt hatten die Räuber den Überfall zuwege gebracht. Jost wusste; dass es um sein Leben geschehen war. Noch nie hatten die Buschklepper einen Postillion am Leben gelassen. Nachdem der Wagen in die Dickung geschoben war, wandten sie sich Jost zu. Höhnisch forderten sie ihn auf, einen Baum auszusuchen, an den sie ihn hängen sollen. Jost bat aber um eine andere Gnade. Ehe sein Leben endet, möchte er noch einmal ein Lied über das Land blasen, durch das er so oft gefahren ist. Im Übermut des gelungenen Überfalls gewährten sie ihm die Bitte. Jost stieg hinauf und blies, das Horn nach dem Greifenstein gerichtet, den Choral: "Wenn wir in höchsten Nöten sein und wissen nicht, wo aus noch ein".

Sein Freund, der Wächter auf dem Greifenstein hörte es und wusste, dass sein Freund in großer Gefahr war. Ehe das Lied auch nur halb verklungen war, sprengten die Ritter zum Ort des Überfalls. Langsam steigt Jost vom Baume. Hatte ihn sein Freund gehört? Gab es noch eine Rettung für ihn?

Da, Bolzen und Lanzen schwirrten in den wilden Haufen. Eine Flucht gab es nicht! Wer nicht getroffen wurde, wurde gefangen genommen. Sie wussten nun, dass es ihr letzter Überfall war und dass ihnen das Ende sicher war, das sie Jost Wieth zugedacht hatten.

Viele Jahrhunderte sind vergangen, aber noch immer heißt die Stelle des Überfalls "Trompeters Loch" und noch immer erzählt man sich die Sage von der wunderbaren Errettung des Postillions.

Im Gegensatz zum Gedicht, überlebt Jost hier den Überfall.