Der Erste Weltkrieg

Erste Strophe des Kriegslieds von Matthias Claudius aus dem Jahr 1774

's ist Krieg! ‘s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg –
und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Zusammengetragen und bearbeitet von Gabi Köhler und Joachim Kohl

Der Chronist schreibt für Holzhausen: „Wie in ganz Deutschland hatte auch hier die Bevölkerung eine hohe Begeisterung und eine innige Hingabe an das Vaterland in allen Kreisen ergriffen. Eine Einigkeit und tiefernste Entschlossenheit, wie man sie nicht für möglich zuvor hielt, durchflammte alle Stände und Parteien. Es gab auf einmal keine Sozialdemokraten mehr, sondern nur mehr Vaterlandsfreunde."

Wir können nicht wissen wie es in Holzhausen zu dieser Zeit war, da es keine lebenden Zeitzeugen zu den Ereignissen im August 1914 gib. Jedoch können wir davon ausgehen, dass die Masse der Bevölkerung sich hier nicht anders Verhalten hat wie anderswo auch. Der anfänglichen Begeisterung des Vorwärtsstürmens und des Siegens folgte ein paar Monate später die Ernüchterung. Es begann ein grausiger Stellungkrieg im Westen wie auch im Osten.

Auch der Bau der Eisenbahn von Stockhausen nach Beilstein verzögerte sich durch den Krieg.

Im Bild oben sehen wir das Denkmal auf unserem Friedhof, welches an die gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges erinnert. Die beiden Seitenteile wurden 1954  nachträglich angebracht, um auch die toten Soldaten des Zweiten Weltkrieges zu ehren. Der Blutzoll für den Ersten Weltkrieg betrug 13 gefallene junge Männer aus Holzhausen.

Zeitungsausschnitte der Wetzlarer Zeitung aus den Jahren 1914/15

Der Erste Weltkrieg und die Eisenbahn

In diesem Jahr erinnern wir uns an zwei historische Ereignisse
Vor 100 Jahren, am 1. August 1914, begann der Erste Weltkrieg. Vor 25 Jahren, am 9. November 1989, fiel die Berliner Mauer. Beide Ereignisse stehen im Zusammenhang. 1989 endete, was 1914 begann.

Es folgt eine Zusammenfassung der Ereignisse, entnommen dem Gewerkschaftsmagazin „Imtakt“, Juli 2014, der EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft).

Sommer 1914: Ein Kontinent rast in den Untergang

Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Seine Ausmaße und seine Schrecken übertrafen alles bis daher bekannte. Erstmals wurde auch die Eisenbahn als kriegswichtiges Verkehrsmittel eingesetzt.

Zweimal symbolisiert die Eisenbahn das Geschehen des ersten Weltkriegs: am Anfang und am Ende. Der Anfang: Ein Eisenbahnmotiv prägt die kollektive Erinnerung an den Kriegsausbruch im August 1914. Junge Kerle im Zug zur Westfront, die Wagen verziert mit siegesgewissen Parolen: „Auf nach Paris, mir juckt die Säbelspitze“. Das Ende: Ein Eisenbahnwaggon in einem Wald bei Paris, im Herbst 1918; hier wird die deutsche Delegation empfangen, um die bedingungslose Kapitulation des Kaiserreiches zu unterzeichnen. Zwischen diesen beiden symbolgeladenen Momenten wirkte die Eisenbahn  vier Jahre lang als Teil einer gigantischen Kriegsmaschinerie. „Tatsächlich hatte die Eisenbahn am gesamten Kriegsverlauf, von der Mobilisierung bis zum stetig rollenden Nachschub für den Stellungskrieg und die Materialschlachten, großen Anteil“, heißt es im Ausstellungskatalog des DB-Museums. Erst die Bahn „ermöglichte die Aufbietung und Verpflegung der Massenheere überhaupt.“

Die Jahre vor 1914 waren in Europa von extremer Nervosität geprägt. Durch den Wiener Kongress 1815 war ein fragiles Gleichgewicht zwischen den europäischen Staaten geschaffen worden. Ihre Rivalitäten entluden sich im Wettlauf um die Kolonien. Man fürchtete einen Krieg in Europa selbst. Trotzdem wurde überall aufgerüstet. Der Gedanke dahinter: Wenn schon Krieg, dann kurz und überfallartig. Der Historiker Herfried Münkler spricht von einer Paradoxie der Geschichte: „Um den Erschöpfungskrieg zu vermeiden, trat man in einen Rüstungswettlauf ein, der einen Erschöpfungskrieg erst möglich machte.“

Die Eisenbahn spielte von Anfang an eine Rolle in diesen Plänen. Schon früh wurden ihre militärischen Möglichkeiten erörtert. Der Generalstab hatte ein waches Auge auf den Netzausbau: Welche Linien brachten strategische Vorteile? Welche Transportkapazitäten hatten sie, welche Möglichkeiten der Be- und Entladung? Ausgewählte Brücken und Tunnel wurden mit Sprengkammern versehen, um sie im äußersten Falle sprengen zu können und ganze Bahnstrecken für den Feind unbrauchbar zu machen. „Eisenbahn-Bataillone“ übten die  Wiederherstellung zerstörter Strecken.

Vor allem der preußische Generalstabschef Helmuth von Moltke wollte durch schnellen Aufmarsch strategische Vorteile erzielen. Erstmals ausprobiert im deutsch-österreichischen Krieg 1866: 25 Tage brauchten die preußischen Truppen in ihre Stellungen. Vier Jahre später, im deutsch-französischen Krieg, wurden fast eine halbe Million Soldaten innerhalb von 18 Tagen in Stellung gebracht. Und auch der deutsche Kriegsplan für 1914 setzte auf Tempo. Das Heer sollte in zwei Flügeln auf Paris marschieren und die französische Hauptstadt innerhalb weniger Wochen erobern. Danach sollten die Truppen an die Ostfront gebracht und gegen die Zaren-Armee geführt werden. Für die Überwindung solcher Entfernungen kam nur die Eisenbahn in Frage.

In den ersten drei Augustwochen transportierte die Bahn 3,1 Millionen Soldaten, 860.000 Pferde und riesige Mengen an Material nach Westen. Über 11.000 Züge wurden dafür eingesetzt. Kaiser Wilhelm dankte allen, die mitgewirkt hatten, „das deutsche Volk in Waffen auf den Schienenwegen den Feinden entgegenzuwerfen, vom ersten Beamten bis zum letzten Eisenbahner". Das war die Politik des „Burgfriedens“: Innenpolitische Konflikte wurden eingestellt. Kriegsbegeisterung und die Furcht vor dem Zarenreich einte die Deutschen. Auch die Gewerkschaften waren dabei: Schon am 2. August 1914 erklärten sie, während des Krieges auf Streiks und sogar auf Lohnforderungen zu verzichten. Endlich durften auch Arbeiter für Deutschland bluten.

Der deutsche Aufmarsch verlief zunächst wie geplant. Das neutrale Belgien wurde überrannt, Anfang September standen die Deutschen in Nordfrankreich. Dann ging alles schief. „Armeen zu weit voraus, Armeen zu weit zurück; mangelnder Kontakt zwischen Hauptquartier und Befehlshabern im Felde; Lücken zwischen den Armeen in Bewegung; Improvisationen; Versuch der engeren Umkreisung des Feindes statt der weiteren; gesammelter französischer Gegenschlag; Rückzug.“ So beschreibt der Historiker Golo Mann die Entwicklungen im September 1914. Allerdings hatten auch die Franzosen ihre Lektion gelernt. Für den Historiker Basil Liddell Hart versagte der deutsche Plan „aus logistischen Gründen. Der Vorstoß wurde durch zerstörte Brücken und Eisenbahnlinien aufgehalten, während die Franzosen auf der Eisenbahn schneller waren.“ Alle anderen Kriegspläne scheiterten genauso. Die Franzosen wollten durch Elsass-Lothringen und über den Rhein auf die  Wirtschaftszentren an der Ruhr vorstoßen. Österreich wollte Russland in Galizien angreifen, Russland wollte wiederum durch die schlesischen Industriereviere nach Berlin und Wien vorstoßen. Golo Mann fasst nüchtern zusammen: „Von all diesen Plänen, Elaboraten höchster strategischer Kunst, war nach sechs Wochen nichts übrig.“

Am Flüsschen Marne, 80 Kilometer vor Paris, trafen die deutschen Armeen am 5. September 1914 auf starke britisch-französische Verbände. Der Vormarsch kam zum Erliegen. Das Grauen des Stellungskrieges begann. Ab Herbst 1914 lagen sich die feindlichen Heere vier Jahre lang auf einer Länge von mehr als 700 Kilometern quer durch Nordfrankreich in Schützengräben gegenüber, oftmals nur 50 Meter voneinander entfernt. Von da an ging es nur noch darum, den Gegner „weißzubluten“, so General Erich von Ludendorff. Schlachten wurden geführt, die oftmals ein paar hundert Meter Geländegewinn brachten. „Jeder fühlt es mit, wie die schweren Geschosse die Grabenbrüstung wegreißen, wie sie die Böschung durchwühlen und die obersten Betonklötze zerfetzen. Wir merken den dumpferen, rasenderen Schlag, der dem Prankenhieb eines fauchenden Raubtiers gleicht, wenn der Schuß im Graben sitzt. Morgens sind einige Rekruten bereits grün und kotzen“, so hat Erich Maria Remarque in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ das Trommelfeuer beschrieben, das einem Angriff vorausging. „Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen  nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung.“

Und immerfort musste Nachschub an die Fronten gebracht werden. Pro Tag brauchte eine Division bis zu 70 Eisenbahnwagen an Munition  und Verpflegung. Unablässig wurden Soldaten an die Front, Verletzte und Fronturlauber zurück gebracht. Insbesondere im Osten dehnte sich die Frontlinie immer mehr aus. Die Lücken wurden durch Heeresfeldbahnen geschlossen. Im Winter 1917/18 erreichte das kriegerische deutsche Eisenbahnnetz seine größte Ausdehnung: fast 19.000 Kilometer. „Die Arbeit leisteten 108.000 Mann militärisches Personal (vielfach zur Armee eingezogene Eisenbahner), 70.000 deutsche Zivileisenbahner, 45.000 Kriegsgefangene sowie 219.000 einheimische Eisenbahner“, so der Historiker Andreas Knipping.

Die Arbeit zu Hause wurde unterdessen von mehr und mehr Frauen erledigt: Waren 1914 noch 11.000 Frauen bei der Bahn beschäftigt, so stieg ihre Zahl bis 1918 auf 107.000! „Man nannte sie 'Kriegsaushelferinnen', die als Rangiererinnen, Maschinenputzerinnen, Zugabfertigerinnen, Kohlenladerinnen, als Arbeiterinnen in Werkstätten, bei der Bahnunterhaltung, im Bahnhofs- im Fahr- und Betriebsdienst die Männer ersetzten“, so der Arbeitskreis Geschichte der EVG. Frauen wurden zu Rottenarbeiterinnen und Lokheizerinnen ausgebildet. Allerdings: Bei Kriegsende wurden 100.000 Frauen auch wieder umgehend entlassen. „Vorrang hatte die Sicherung der Arbeitsplätze für die aus dem Krieg heimkehrenden Eisenbahner.“

Der Erste Weltkrieg war eine neue Art des Krieges, mit keinem seiner Vorgänger vergleichbar. Es gab keine Armeen mehr, die in offener Feldschlacht aufeinander eindroschen. Stattdessen massenhaftes, anonymes, technisiertes Töten. Neue Waffengattungen kamen zum Einsatz: Panzer und Flugzeuge und erstmals auch Giftgas. 9 Millionen Soldaten und 6 Millionen Zivilisten starben. „Wie sinnlos ist alles, was je geschrieben, getan, gedacht wurde, wenn so etwas möglich ist“, heißt es bei Remarque. „Es muss alles gelogen und belanglos sein, wenn die Kultur von Jahrtausenden nicht einmal verhindern konnte, dass diese Ströme von Blut vergossen wurden, dass diese Kerker der Qualen von Hunderttausenden existieren.“

Nach den vier infernalischen Jahren war nichts mehr wie vorher. Die traditionelle Symmetrie der europäischen Großreiche war aufgelöst, drei Kaiserreiche ganz verschwunden. In Deutschland wurde eine Republik gegründet, doch in ihr brodelte es. Ihre Feinde machten sie für die Niederlage verantwortlich: das Heer sei „im Felde unbesiegt“ geblieben und nur durch den Dolchstoß in den Rücken bezwungen worden. Wie passend: Die Kapitulation unterschrieben drei Militärs, die gerade erst ins Amt gekommen waren, und ein ziviler Politiker, Staatssekretär Matthias Erzberger. „Das waren nicht die Herren, die für den Krieg der vergangenen vier Jahre verantwortlich zu machen waren“, schreibt der Historiker Ernst Piper. „Diese standen nicht mehr zur Verfügung und überließen die unangenehme Arbeit, den angerichteten Scherbenhaufen zusammenzukehren, lieber anderen.“ Matthias Erzberger wurde 1921 ermordet; ein Jahr später auch Walter Rathenau, der die deutsche Wirtschaft unter Kriegsbedingungen organisiert hatte. In der neugegründeten NSDAP sammelten sich unter anderem viele Soldaten, die die Schmach von 1918 rückgängig machen wollten. Angeführt von Adolf Hitler, der sich seiner Fronterlebnisse rühmte, obwohl er nur hinter den Linien als Meldegänger tätig gewesen war.

Der Publizist George F. Kennan hat den ersten Weltkrieg die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ genannt. Das ist richtig: Weil alles noch schrecklichere, was danach kam, in ihm seinen Anfang hatte.