Das Denkmal – oder wie wir Preußen wurden

Ein Ehrenmal zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg 1870.

Wenn sich Holzhäuser am "Denkmal" verabreden, wird keiner von ihnen zum vereinbarten Zeitpunkt auf den Friedhof laufen. Jeder weiß welcher Ort gemeint ist.

Unser Denkmal in der Katzenfurter Straße kennt jeder. Vielleicht haben die Älteren unter uns in der Schule gelernt, weshalb es da steht. Heute beschäftigt sich der geschichtliche Unterricht in der Regel mit anderen Zeiträumen. Deshalb hier einige interessante Informationen zum Thema: Wir gehen mitten hinein in die Historie und versuchen uns einen Überblick zu verschaffen. Das Jahr 1814 ist ein guter Einstieg.

Napoleon Bonaparte ist besiegt. Der "Wiener Kongress" tagt. Die neuen Mächtigen sind die alten Mächtigen und verteilen Europa neu. Aber alle, die sich in deutschen Landen eine wirkliche Staatsreform und ein geeintes Deutschland erhoffen, werden enttäuscht. Keiner der europäischen Großmächte wünscht sich in der Mitte Europas einen starken Einheitsstaat.

Und bei all dem Schachern um Quadratmeilen und Bevölkerungszahlen, um Steuererträge und militärisch wichtige Punkte, kommt Preußen 1815 in den Besitz der Stadt Wetzlar und am 31. August 1822 wird sie mit dem solmsischen Gebiet, welches ebenfalls unter preußische Hoheit kam, zum Kreis Wetzlar zusammengefasst. Alles gehört jetzt zu den preußischen Rheinprovinzen.

Das Königreich ist zu einer Enklave gekommen, die mit keinem seiner anderen Landesteile zusammenhängt. Der Fürst von Braunfels hat zwar zu dieser Zeit noch weitgehende Vorrechte, wie zum Beispiel Jagd- und Bergrecht, Gerichtsbarkeit und das Recht zur Ernennung von Beamten, aber die Oberhoheit hat ein preußischer Landrat.

Im März 1848 kommt es in Berlin und anderen deutschen Hauptstädten zu Aufständen. Den Leuten geht es wirtschaftlich schlecht. Im Zeitraum zwischen 1830 und 1865 gibt es eine hohe Zahl von Auswanderungen vorwiegend nach Amerika, aus dieser Not heraus.

Hier bei uns hat man – seltsamer Weise – nicht den König, sondern den Fürsten in Braunfels als Schuldigen ausgemacht. Die Bauern, auch die von der Ulm, ziehen nach Braunfels "imm das Kippelche se schlaafe" (wir würden heute sagen: "Den machen wir platt!"). Sie bringen ihre Forderungen vor Fürst Ferdinand. Er soll auf seine Privilegien verzichten. Es kommt zu Kämpfen. Von Misshandlungen und Getöteten wird berichtet. Bauern werden verhaftet. Letztlich veranlasst dieser Aufstand den Fürsten, seine Regierungsrechte niederzulegen. Wir sind jetzt "wirklich" Preußen. Eine Insel im Meer von Hessen und Nassauern.

In den nachfolgenden Jahren ringen Preußen und Österreich um die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung in Deutschland. 1866 kommt es zur kriegerischen Auseinandersetzung (Hessen und Nassauer halten es mit den Österreichern, wir sind selbstverständlich preußisch).

Preußen triumphiert durch den Sieg bei Königgrätz. Österreich muss im Prager Frieden von 1866 der Annexion von Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt am Main durch Preußen zustimmen und verliert seine Bundesgenossen.

Jetzt fürchtet Frankreich nach dem Sieg Preußens über Österreich um seine Vormachtstellung in Europa. Über die Frage der Neubesetzung des spanischen Thrones durch einen Hohenzollernprinzen kommt es schließlich zwischen beiden Ländern zum Krieg, da weder Frankreich noch Preußen eine diplomatische Niederlage in Kauf nehmen wollen.

Ganz Deutschland reagiert auf die Kriegserklärung Frankreichs mit nationaler Empörung. Auch die süddeutschen Staaten eilen Preußen zur Hilfe und unterstellen ihre Truppen dem preußischen Oberbefehl. In unerwarteter Schnelligkeit vollzieht sich mit Hilfe der neuen Eisenbahnen der Truppenaufmarsch an der französischen Grenze.

In der Schlacht von Sedan, am 1. und 2. September 1870, wird der entscheidende Sieg über die kaiserliche Armee erkämpft. Zu den Gefangenen gehört auch Napoleon III. In Deutschland wird der Sieg von Sedan überschwänglich gefeiert. König Wilhelm I. telegrafiert an seine Gemahlin die Siegesnachricht von Sedan:

39ste Depesche vom Kriegsschauplatz - Der Königin Augusta in Berlin

Vor Sedan, den 2. September, ½ 2 Uhr Nachm.

Die Capitulation, wodurch die ganze Armee in Sedan kriegsgefangen, ist soeben mit dem General Wimpfen geschlossen, der an Stelle des verwundeten Marschalls Mac-Mahon das Commando führte.

Der Kaiser hat nur sich selbst Mir ergeben, da er das Commando nicht führt und Alles der Regentschaft in Paris überlässt. Seinen Aufenthaltsort werde Ich bestimmen, nachdem Ich ihn gesprochen habe in einem Rendezvous, das sofort stattfindet.

Welch' eine Wendung durch Gottes Führung!

Wilhelm.

Der Sieg über die Franzosen wird als schicksalhaftes Zeichen für die Berufung der Deutschen zur Größe und Einheit gedeutet. Und obwohl ein annehmbarer Frieden nicht ausgeschlossen ist, ändern sich durch den militärischen Erfolg die kriegerischen Ziele Deutschlands. Es wird sich nicht mit Landesverteidigung begnügen, sondern man ist jetzt auf finanziellen Gewinn und Gebietserwerb aus. Elsaß und Lothringen werden gegen den Willen der dortigen Bevölkerung annektiert. Nach den Waffenerfolgen der ersten Kriegsmonate, dem Sturz des französischen Kaisertums und der Einschließung von Paris ist der Weg frei für die Vollendung der deutschen Einheit durch den Zusammenschluss der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund.

Diplomatische Verhandlungen und die militärische Macht Preußens ermöglichen die Reichsgründung "von oben". Nicht aus den Beschlüssen einer deutschen Nationalversammlung, sondern aus völkerrechtlichen Verträgen zwischen den verschiedenen Monarchen und Regierungen, die dann vom norddeutschen Reichstag und von den süddeutschen Landtagen ratifiziert werden, entsteht das Deutsche Reich.

Am 18. Januar 1871 wird Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Das Kaiserreich bringt die langersehnte nationale Einheit, wenn auch nur eine "Einheit von oben". Die Souveränität liegt nicht beim Volk, sondern bei den 22 Fürsten und drei freien Städten, die sich zu einem Bundesstaat zusammengeschlossen haben. Und das Übergewicht Preußens ist erdrückend.

Auch aus Holzhausen ziehen Männer in diese Kriege, viele von ihnen werden nicht wiederkommen. Dennoch löst der Sieg von Sedan auch in unserem Ort eine große Begeisterung aus, die lange anhält. Ein Kriegerverein wird gegründet. Und anlässlich des alljährlich gefeierten "Sedantages", wird am 2. September 1913 am Ortseingang eine Linde gepflanzt und ein Denkmal errichtet um diesen Sieg zu feiern und die Gefallenen zu ehren. In das Fundament versenkt man eine Kassette mit der Einweihungsurkunde und Münzen. Auf den Granitplatten der Stele sind die Namen der Männer verewigt, die "mit Gott für König und Vaterland" kämpften.

Nicht einmal ein Jahr später im August 1914 ist erster Mobilmachungstag. Auf der "Kreuzgasse" findet ein großer Gottesdienst statt. Es wird ein allgemeiner Buß- und Bettag gefeiert. Wieder ziehen die Männer in den Krieg. Den I. Weltkrieg. Später wird man auch für die, die diesmal nicht wiederkommen, ein Denkmal errichten.

Am 1. Oktober 1932 löst Preußen den Kreis Wetzlar aus den Rheinprovinzen. Wir werden der Provinz Hessen-Nassau zugeteilt. Seit dem 1. Dezember 1946 gehören wir zu Hessen.

Nachzutragen wäre noch, dass auf der Frontseite des Denkmals ursprünglich zwei gekreuzte Schwerter angebracht waren. Sie wurden im Mai 1945 von amerikanischen Soldaten demontiert, als diese in Holzhausen einmarschierten.

Quellenachweis:

  • "Fragen an die deutsche Geschichte" Wege zur parlamentarischen Demokratie Herausgeber: Deutscher Bundestag Referat Öffentlichkeitsarbeit
  • Geschichtliche Heimatkunde von Stadt und Kreis Wetzlar Dr. A. Schoenwerk, Pegasus Verlag Wetzlar
  • Münliche Informationen von Artur Clößner und Otto Rumpf

Bericht von Gabi Köhler - Dorfarchiv Holzhausen, Mai 2009