Amtliche Bekanntmachungen von 1947

Gefunden und aufgeschrieben von Heinrich Jung. Überarbeitet und veröffentlicht von Joachim Kohl.

Auf dieser Seite zeigen wir wie bis in die 60iger hinein amtliche Nachrichten unters Volk gebracht wurden. Karl Schäfer war Jahrelang Ortsdiener und hatte die Aufgabe amtliche Bekanntmachungen den Dorfbewohnern mitzuteilen. Das einige Originaltexte noch heute zur Verfügung stehen, verdanken wir Herrn Heinrich Jung, unseren langjährigen Dorfschullehrer und begeistertem Heimat- und Geschichtsforscher. Aufgeschrieben Anfang der 50iger des letzten Jahrhunderts hören wir jetzt einen Ausschnitt der Bekanntmachung von 1947. Ab hier jetzt der Originaltext von Herrn Jung und den amtlichen Nachrichten.

Wenn es während des Krieges noch eine einigermaßen funktionierende Lebensmittelversorgung gab, so begannen jetzt die Hungerjahre. Verschlimmert wurde alles noch durch die Aufnahme der Heimatvertriebenen (damals „Ostflüchtlinge" genannt). Es muss noch einmal daran erinnert werden, dass besonders sie unter oft menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten, und bei ihnen die Not am größten war. Besonders groß wurde die Not im Jahre 1947.

Ein kleines, vergilbtes Notizbüchlein gibt uns ein lebendiges Bild jener Zeit. In ihm sind alle Bekanntmachungen eingetragen, die der Ortsdiener Karl Schäfer von Amtswegen den Bewohnern mit seiner Ortsschelle verkünden musste. Uns Älteren klingt es noch heute in den Ohren, wie Karl nach gehörigen Gebimmel sein Bekanntmachung erschallen ließ.

Und was er im April und Mai 1947 so alles bekannt machte, wird für viele alte Erinnerungen wachrufen, für die Jüngeren aber weithin unverständlich sein. Deshalb hören wir erst den Originaltext. Dazu sollen Anmerkungen von mir den Hintergrund erhellen.

Die erste Bekanntmachung ist vom 16.04.1947:
„Heute Mittag, 1 Uhr, wird das Gartenland  an die Ostflüchtlinge ausgelost. Treffpunkt bei Dr. Loh.''

Unser Dorf hatte 1945 etwa 550 Einwohner, hinzu kamen 40 Evakuierte aus den von Bomben zerstörten Städten. Im Sommer 1946  trafen etwa 80 Heimatvertriebene aus dem Sudetenland ein, die auch noch in dem schon ohnehin knappen Wohnraum untergebracht werden mussten. Da ihnen das Notwendigste zur Einrichtung eines Haushaltes fehlte, führte man eine Sammlung durch. Das oben erwähnte Gartenland befand sich zwischen der Hellsdorfstraße und dem Reitplatz.

Bekanntmachung 17.04.1947:
„Alle Schafhalter müssen bis heute Abend die fertigen Schafshorden mit den Pfählen hinter dem neuen Friedhof abgeben, weil die Schafe heute in den Pferch gehen. Wer den Pferch haben will, muss sich beim Schafmeister melden.“

Die Schafzucht, die heute für viele ein Hobby ist, war damals bittere Notwendigkeit. So gab es etwa 180 Schafe. Man hielt sie vor allem der Wolle wegen. Wer Wolle hatte, konnte sie spinnen und hatte Strümpfe. Außerdem war sie ein begehrter Tauschartikel. Da Kunstdünger kaum vorhanden war, konnte der Pferch einen wertvollen Beitrag zur Düngung der Felder leisten.

Bekanntmachung 17.04.1947:
„Schweineeinkaufsgenehmigungen werden nur noch auf Antrag ausgegeben, in welchem die Futtergrundlage  anzugeben ist. Jeder Antragsteller kann damit rechnen, dass bei den Hausschlachtungen im nächsten Jahr die Hälfte der Schweine abgeliefert werden muss.“

Ja, mit der Futtergrundlage sah es meistens bitter aus. Was mussten die armen Tiere alles Fressen! Brennesselsamen, Bachblätter, Eicheln,  sämtliche Abfalle aus dem Haushalt usw. Der letzte Satz der Bekanntmachung ist wohl als Drohung zu verstehen. Dazu ist es nie gekommen. Im Gegenteil! Gar manches Tier wurde heimlich gehalten und dann schwarz geschlachtet. Schwarz, das hieß gegen das Lebensmittelgesetz und stand unter schwerer Strafe. Vielleicht kam der Begriff  „schwarz" auch daher, dass es meistens bei Dunkelheit geschah. Die vom Krieg her noch vorhandenen Verdunklungsanlagen an den Fenstern leisteten dabei zwar zweckentfremdete, aber gute Dienste. Wer nach einer Schwarzschlachtung gut gegessen hatte, wollte natürlich etwas „Gutes" trinken. In den Gastwirtschaften floss aus den Hähnen nur die sogenannte „Fassbrause". Sie sah wie Bier aus, schmeckte wie stark verdünnter Apfelsaft und enthielt keinen Deut Alkohol. Schnaps gab es überhaupt nicht, den produzierte man meist in primitiven "Schwarzbrennereien" selber. Es gab aber auch Anlagen, in die gewiefte Werkzeugmacher und Schlosser ihr ganzes Können investiert hatten. Zum Brennen eignete sich alles, was Stärke und Zucker enthielt z. B. Kartoffeln, Korn, Zuckerrüben, Zwetschen usw. Wie viel Flaschen dieses Eigenproduktes mögen wohl bei Tanzveranstaltungen in „Knetsche Saal“ getrunken worden sein?

Bekanntmachung vom 18.04.1947:
„Sonntagnachmittag von 2 bis 4 Uhr wird  das erste Quartal Viehkassengeld bei Heinrich Karl Droß erhoben.“

Bekanntmachung vom 28.04.1947:
„Heute Mittag, 1 Uhr, muss aus jedem Haus, wer Vieh treibt, eine Person zum Räumen der Viehweide antreten. Treffpunkt Kreuzgasse. Rechen, Hacken, Gabeln und Heckenmesser sind mitzubringen. Wer nicht erscheint, verliert das Recht, Vieh zu treiben. Die Verpachtung der Feldwege erfolgt am Mittwoch 1 Uhr an der Kirche.“

Fast zu jedem Haus gehörten damals Stall und Scheune, sowie ein richtiger Mist vor der Tür. (Bei vielen Garagen kann man heute noch erkennen, wo ehedem das Scheunentor gesessen hat). Eine einzige Kuh bedeutete: 10 Monate Milch, Käse, Butter und jedes Jahr ein Kalb. Damit gehörte man beinahe zu den Selbstversorgern, die in dieser Zeit eine besonders privilegierte Gruppe war. Die Viehkasse war eine Selbsthilfeeinrichtung der großen Viehhalter (etwa 70 im Dorf, heute noch 10). In ihr war sämtliches Vieh versichert. Der Beitrag richtete sich nach dem von ehrenamtlichen Schätzern ermittelten Wert des einzelnen Stückes. Auch beim Großvieh ging es, wie bei den Schweinen, vor allem um die Futtergrundlage. Wer sein Vieh zur Weide treiben durfte, hatte für den Sommer fast ausgesorgt. Zu dieser Zeit gab es keinen Feldweg, keinen Graben, keinen noch so steilen Hang, der nicht gemäht wurde. Die dann noch verbleibende Lücke musste Waldgras decken.

Bekanntmachung vom 18.04.1947:  
„Sonntagvormittag, 9 Uhr findet eine Übung der Pflichtfeuerwehr statt. Teilnahmepflichtig sind alle männlichen Personen zwischen 18 und 45 Jahren. Nichterscheinen hat Bestrafung zur Folge."

Das Vereinsleben kam nur langsam wieder in Gang. Die Freiwillige Feuerwehr war noch nicht wiedererstanden. So mussten also alle zu den Übungen erscheinen, um den Brandschutz zu sichern.

Bekanntmachung vom 21.04.1947:
„Die Ausgabe der Lebensmittelkarten erfolgt am Samstag Mittag um 1 Uhr in der Schule. Amtlich abgestempelte Beschäftigungsnachweise sind vorzulegen.“

Lebensmittelkarten konnte nur bekommen, wer einen abgestempelten Beschäftigungsnachweis vorlegte. Die Lebensmittelzuteilungen waren natürlich nicht für alle gleich. Da gab es Karten für Normalverbraucher, Schwerarbeiter, Schwerstarbeiter und Selbstversorger.

Schwerstarbeiter waren z. B. die Tonbergleute. Sie bekamen am meisten. Am schlechtesten erging es dem Normalverbraucher. Und wie viel war das Gewüncherheit nur so viel, dass wir heute eine damalige Tagesration an Butter und Wurst auf eine Schnitte geben und noch meinen, wir hätten etwas für unsere Linie getan.

Außer den Lebensmittelkarten gab es für alle Bedürfnisse Bezugsscheine. Für Textilien, Schuhe, Seife, Rasierseife usw. Wobei noch längst nicht gesagt war, dass man für einen endlich ergatterten Bezugschein auch wirklich das Gewünschte bekam. Auch hier wurden die meisten Sachen auf dem schwarzen Markt im Tauschhandel erworben. Zeitweise war Stuttgart ein Mekka des Tauschhandels. Allein die Fahrt dorthin, in den unglaublich überfüllten Zügen, war ein Abenteuer für sich. Es kam vor, dass sich Holzhäuser Einwohner wieder einmal in der zerstörten Bahnhofshalle Stuttgarts begrüßten. Gehandelt wurde mit allem.

Bekanntmachung vom 24.04.1947:
„Am Freitag, d. 25.04. wird der Strom in der Zeit von 9 bis 16 Uhr abgeschaltet.“

Ja, das war damals möglich. Heute undenkbar. Die Vorräte in der Tiefkühltruhe verderben, keine Heizung läuft mehr und gekocht kann auch nicht werden.

Bekanntmachung vom 25.04.1947:
„Alle diejenigen, welche ihr Holz selbst eingeschlagen haben, müssen den Namen daran anbringen, sowie die Nummern aufschreiben und am Sonntag bei der Kartenausgabe abgeben, damit das Holz verteilt werden kann.“

Wer halbwegs dazu in der Lage war, musste sein Brennholz selber einschlagen. Das Holz musste den gesamten Bedarf an Wärmeenergie decken. Kohlen und Brikett erhielten die Städter, und das Wort „Heizöl" hatte noch niemand gehört. Das Holz reichte jedoch, denn für gewöhnlich wurde nur ein Raum beheizt. Dort spielte sich das gesamte Leben ab. Alle anderen Räume blieben kalt. Unser Wald sah aus, wie ein gut gepflegter Park. Die Entwicklung auf dem Heizölmarkt lässt diese Erinnerungen wieder wach werden.

Bekanntmachung vom 28.04.1947:
„Die noch fehlenden Raucherkarten für Frauen werden morgen Vormittag ausgegeben.“

Ach ja, Raucherkarten gab es auch. Aber mit der Gleichberechtigung war es noch nichts, denn die Männer erhielten am Tage 6 Zigaretten, die Frauen nur 3. Gewiss viel zu wenig für  einen gestandenen Raucher. Also schritt man zur Selbsthilfe. Obwohl unser Westerwaldklima nicht besonders dafür geeignet war, legte man „Tabakplantagen" an. Natürlich nur im begrenzten Umfang, denn das Land wurde ja dringend für die Erzeugung von Lebensmittel gebraucht. Das Stehlen von Tabakblättern galt als äußerst verwerflich und war nur mit dem Kameradendiebstahl im Kriege zu vergleichen. Einer hatte sogar sein Tabakfeld inmitten der Dornen auf dem Kippchen angelegt. Sehnsüchtig wartete man auf die ersten gelben Blätter, die dann sorgfältig aufgefädelt im Schuppen zum Trocknen  aufgehängt wurden. Jeder entwickelte seine eigene Methode, sie zu fermentieren und schwor darauf (z. B. in einer leeren Gasmaskenbüchse 3 Wochen im Mist lagern). Das Ergebnis war fast immer gleich. Die Raucher verbreiteten häufig einen fürchterlichen Gestank, den sie nur selbst als angenehm empfanden. Mit wie viel Neid schaute man auf den, der eine der stark parfümierten Amizigaretten rauchte. Die Amizigarette war überhaupt der Wertmaßstab: 1 Zigarette = 5 Reichsmark.

Im Übrigen richtete sich der Tauschhandel danach, was der eine anzubieten hatte und was der andere dringend brauchte. Dann kamen manchmal die unmöglichsten Geschäfte zustande:

  • 3 Pfund Wolle = 1 Sack Mehl
  • 1 Flasche Schnaps = 1 Paar Schuhe
  • 1 fetter Hammel = 3 Stangen Zigaretten

Für Zigaretten konnte man grundsätzlich alles erwerben. Gegen eine geringe Gebühr machte der Ortsdiener Karl Schäfer auch private Sachen bekannt. Meistens waren es Verlustanzeigen von Sachen, die zu dieser Zeit unersetzlich waren.

Die verschiedenen Verlustanzeigen:
„Wer eine Eggenkette gefunden hat, wird gebeten, sie bei Friedrich Biemer Haus. Nr. 20 abzugeben."
„In Gruben oder im Dorf wurde ein Maulkorb verloren. Der Finder kann ihn bei mir abgeben.“
„Wer eine Tabakspfeife gefunden hat, wird gebeten, sie bei Heinrich Schmidt Haus. Nr. 75 abzugeben.“
„Wer von einem Kinderwagen einen Gummireifen gefunden hat, im krummen Weg oder im Dorf, wird gebeten ihn bei mir abzugeben.“

Der Kinderwagen war bestimmt Baujahr 1938 oder älter und damit 10 Jahre alt. Dass das Vollgummi brüchig und ausgeleiert war, ist klar. Ersatz war nicht zu bekommen. Notfalls musste man auf den Felgen weiterfahren.

Bekanntmachung vom 12.5.1947:
„Morgen früh geht das alte Vieh auf die Weide"

Bekanntmachung vom 14.05.1947:
„Morgen erfolgt der Austrieb des Jungviehs. Wer Jungvieh auf die Weide treibt, muss den Hirt unterstützen, damit die Herde zusammenbleibt."

Das alte Vieh, das an den Austrieb schon gewöhnt war, ging zuerst zur Weide. Durch ein Trompetensignal wurden die Besitzer aufgefordert, das Vieh herauszulassen. Die Ställe wurden geöffnet, und die Kühe schlossen sich den anderen an, die dann in gleichmäßigem Trott durch den Viehweg (obere Lindenstraße) zum Himbecher zog. Das Jungvieh, das den ganzen Winter im Stall gestanden hatte und noch nie zur Weide gegangen war, machte natürlich besondere Sprünge. Deshalb die Unterstützung durch die Eigentümer. Übrigens gab es außer dem Großvieh, den Schweinen und den Schafen noch etwa 100 Ziegen im Dorf. Heute müssen wir wahrscheinlich bis zum Frankfurter Zoo fahren, um den Kleinen beim Erzählen des Märchens vom "Wolf und den 7 Geißlein" beide zu zeigen.

Bekanntmachung vom 16.5.1947:
„Nachdem die Holzverteilung abgeschlossen ist, wird gebeten, das Kritisieren im Dorf zu unterlassen. Wer mit seiner Zuteilung nicht einverstanden ist, macht eine Eingabe an die Gemeindevertretung, welche dann darüber entscheiden kann."

Na ja, wer war schon mit dem ihm Zugeteilten einverstanden?

Bekanntmachung vom 21.05.1947:
„Zum Kuchenbacken für Pfingsten ist im Unterdorf die erste Rotte: Freitags Haus. Nr.9 - 12; Samstag Haus. Nr. 35 - 39. Im Oberdorf die erste Rotte: Freitags Haus. Nr. 104 - 107; Samstag Haus. Nr. 65 - 68. Die ersten müssen am Freitag bis mittags 2 Uhr und am Samstag bis morgens 10 Uhr gebacken haben. Es backen immer 4 Hausnummern zusammen, und es muss immer weiter gebacken werden“.

Über das Backen in beiden Backhäusern und die vielen Tricks beim Heizen der Öfen, könnte man eine besondere Abhandlung  schreiben. Einen beliebten Streich der Dorfjugend möchte ich dennoch berichten: Die "erste Rotte", die also morgens mit dem Backen begann, hatte es besonders schwer, den Ofen heiß zu bekommen.Das gelang am besten mit recht trockenen Backwellen. Wenn man sie schon abends in den noch warmen Ofen schob, brannten sie morgens natürlich wie Zunder. Das war aber auch schon um Mitternacht der Fall, wie die Jugend schnell herausgefunden hatte. Man kann sich leicht die Flüche und Verwünschungen vorstellen, wenn der „Oberfeuerwerker" am nächsten Morgen die Backwellen anstecken wollte.

Bekanntmachung vom 23.5.1947:
„Es ergeht hiermit die Bitte an die hiesige Bevölkerung, denjenigen, welche nicht in der Lage sind einen Kuchen zu backen, etwas abzulassen!“

Ob der Aufruf von Erfolg gekrönt war? Sicher gab es viele Beispiele, wo einer dem anderen selbstlos geholfen hat. Es gab aber auch „Selbstversorger", die den Begriff von der „Christlichen Nächstenliebe" in dieser Zeit nicht kennen wollten.

Bekanntmachung vom 24.05.1947:
 „Heute Abend, 9 Uhr, findet in der Gastwirtschaft Simon eine Versammlung des Turn- u. Sportvereins statt. Wegen der Wichtigkeit der Tagesordnung wird um vollzähliges Erscheinen gebeten."

Es ist für  mich nicht mehr feststellbar, ob dies die erste Versammlung nach dem Kriege war. Fußball gespielt wurde schon Mitte 1946.

Bekanntmachung vom 29.05.1947:  
„Morgen Vormittag, ab 8 Uhr, wird in der hiesigen Gemeinde eine Hofbegehung, zwecks Erfassung von abgabepflichtigem Brotgetreide, Hafer und Kartoffeln durchgeführt.

Desgleichen muss von jedem Betrieb noch zusätzlich Getreide und Kartoffeln zur Verfügung gestellt werden. Alle Ablieferungs­bescheinigungen über Getreide und dergleichen müssen vorgelegt werden, zwecks genauer Feststellung der bisherigen Abgabe. Es handelt sich hier um keine Schikane, sondern darum, eine bevorstehende Razzia zu verhindern. Es wird darauf hingewiesen, dass alle Betriebe, welche ihr Ablieferungssoll noch nicht erfüllt haben, demselben unbedingt nachkommen müssen, andernfalls eine Meldung dieser Betriebe stattfinden muss, für deren Folgen sie dann selbst verantwortlich sind.

Es muss jedem klar sein, dass es sich darum handelt, der drohenden Hungersnot in den Städten entgegenzutreten und wir darum nicht warten können, bis Folgen durch eine Razzia entstehen, welche niemand verantworten will und kann.“

Das alles sollte der gute Karl an allen Bekanntmachungsstellen verlesen. Ob es viel geholfen hat, ist zu bezweifeln. Natürlich war sich jeder selbst der Nächste! Die kärglichen Vorräte waren vielfach in einem zweiten Keller oder unter Heu- und Strohhaufen versteckt, um sie der Erfassung zu entziehen. Die wirkliche Not sollte aber erst noch kommen, denn der Sommer 1947 brachte die schlimmste Dürre dieses Jahrhunderts. Vom 15. Juni bis Mitte Oktober brannte die Sonne erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel. Kein Tropfen Regen fiel. Die Futterknappheit war so groß, dass das Weidevieh die Graswurzeln aus der Erde zog und die Viehweide in der heißen Sonne rot schimmerte. Hinzu kam noch, dass uns die Amerikaner die doppelte Sommerzeit verordneten, d. h. die Uhren waren um 2 Stunden vorgestellt. Mit dieser letzten Bekanntmachung aus dem alten Notizbüchlein möchte ich meinen Bericht beenden.